Was bedeutet ein AVM in der Immobilienbewertung
AVM in der Immobilienwirtschaft oder AVM in der Immobilienbewertung steht als Abkürzung für Automated Valuation Model. Übersetzt bedeutet AVM daher „Automatisiertes Bewertungsmodell“, also ein Computerprogramm, das über Objektinformationen und Vergleichswerte Immobilienwertvorschläge generiert. Diese Programme basieren auf einem Modell, welches in der Regel statistisch generiert wird. Heute wird AVM in der deutschen BelWertV als computerunterstütztes datenbankbasiertes Bewertungsmodell bezeichnet. Vermutlich werden wir daher in Zukunft fragen müssen: Was ist ein CDB?
Was versteht man heute unter einem AVM
Die Abkürzung AVM ist heute jedoch überholt, sie wird derweil auch oft als Synonym für vollumfängliche systemgestützte Bewertungslösungen verwendet. Im weiteren Sinne kann das Kürzel AVM oder seine Umschreibung „Automated Valuation Model“ daher als digitale Bewertungslösung definiert werden, die entweder nur ein Modell oder viele Modelle abdeckt. Die digitale Bewertungslösung kann dabei bereits nach wenigen Nutzereingaben Immobilienwertindikationen bereitstellen (systemgestütze Immobilienwertindikation) oder nach umfangreichen Nutzereingaben zur Ableitung von Immobilienwerten genutzt werden (systemgestütze Immobilienbewertung).
Geschichte automatisierter Bewertungsmodelle
Historisch betrachtet umfassten AVM Lösungen zunächst klassische modellbasierte Vergleichswertverfahren. Darin werden auf der Basis von Modellparametern die Werte von Immobilieneigenschaften zusammengesetzt zu einem Gesamtwert. Das Vorgehen wird teils auch hedonische Immobilienbewertung bezeichnet. Die Grundannahme dieser in den 1950er Jahren entwickelten Methode besagt, dass sich der Preis einer Immobilie aus der Summe der Preise ihrer Merkmale zusammensetzen lässt, den sogenannten impliziten Preisen. Die impliziten Preise werden dabei als Koeffizienten aus meist relativ trivialen Regressionsmodellen abgeleitet und auf das Bewertungsobjekt angewendet.
Modellbasierte (Vergleichs-)Bewertung in Deutschland
Vor allem in Deutschland wurden diese Modelle für Zwecke der Wertermittlung bis ins Jahr 2022 allerdings für Bewertungszwecke nicht anerkannt, da Sie für viele Akteure zu ungenau erschienen oder schlicht nicht nachvollziebar waren. Die Nachvollziehbarkeit dieser klassischen „hedonischen AVM“ lag allerdings nicht an der Komplexität der Modellansätze sondern vielmehr am mangelnden direkten empirischen Beleg, die Sachverständige für die Vergleichswertfindung gesetzlich benötigten.
Empirische (Schein-)Evidenz durch automatisierte Vergleichswerte
Auch klassische Bewertungen basieren auf Modellen
Aufgrund der mangelnden Akzeptanz des modellbasierten Vergleichswertverfahrens in der deutschen Wertermittlungslandschaft wurden im Laufe der Zeit auch die übrigen (führenden) Wertermittlungsverfahren, wie Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren oder DCF Verfahren modellhaft abgebildet. Dabei wird der gesetzliche und wirtschaftliche Teil der Verfahren in Form von Rechenvorschriften (z.B. Sachwertrichtlinie oder Ertragswertrichtlinie) in einen entprechenden Algorithmus oder ein Datenbankschema überführt. Der marktbezogene Teil des Bewertungsprozesses wird durch die Bereitstellung und Integration von bewertungsrelevanten Daten ergänzt: Fertig sind Ertragswert oder Sachwert. Die bewertungsrelevanten Daten im Ertragswert- und Sachwertverfahren basieren dabei im wesentlichen wiederum auf Modellannahmen. Dem interessierten Leser sind sicher bereits Grundstücksmarktberichte aufgefallen in dem Sachwertfaktoren oder Marktanpassungsfaktoren auf der Basis von Modellen ausgewiesen werden.
Die Rolle von Sachverständigen im Kontext modellbasierter Bewertung
Diese Modelle (meist Regressionsmodelle) basieren in einigen Fällen auch auf einer sehr schwachen Datenlage und einhergehenden schwachen Varianzerklärungsgehalten und Bestimmtheitsmaßen von unter 20%. Darauf wird im Rahmen der Grundstücksmarktbericherstattung dann zwar oft in Fußnoten verwiesen, die Modellergebnisse fließen dennoch in laufende Bewertungen in diesen Regionen ein. Ähnlich verhält es sich mit Liegenschaftszinsen für Ertragswertmodelle. Hier wurde in der Vergangenheit oft der Aktualität Vorzug vor hinreichenden statistischen Güte und repräsentativen Fallzahlen gewährt. Alleine dadurch, dass die Faktoren in den amtlichen Grundstücksmarktberichten abgedruckt werden, werden die oft schwachen Modellergebnisse sozusagen geadelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Prüfung oder kritische Würdigung der Faktoren durch Sachverständige oberflächlich bleibt, steigt dadurch an.
Wenn wir also über automatisierte Bewertungsmodelle oder AVM sprechen, dann müssen wir zunächst einmal festhalten, dass Modelle schon seit geraumer Zeit in der Wertermittlung im Einsatz sind. Die Modelle die bisher rechtlich zugelassen waren, wurden dabei meist von den Gutachterauschüssen erstellt und freigegeben. Dadurch wurde der Anwender von der kritischen Prüfung der Modelle mehr oder weniger befreit.
Die EBA Guidelines setzen 2020 erstmals Standards für die Anwendung modellbasierter Bewertungsverfahren
Wenn zukünftig automatisierte Bewertungsmodelle bei Sachverständigen zum Einsatz kommen, so müssen diese sich davon überzeugen können, wie genau das Modell und die konkrete Werteinschätzung jeweils sind und wie sie funktionieren. So verlangen es zumindest die EBA Guidelines aus 2020 (EBA Guidelines on loan origination and monitoring). Die EBA formuliert hier erstmals allgemeine Anforderungen für statistische Modelle im Rahmen von Bewertungen. Demnach sollten statistische Modelle hinsichtlich ihrer Konfidenzniveaus und Annahmen für die Beteiligten nachvollziehbar sein. Vor allem die berücksichtigten objektspezifischen Variablen sowie die Unsicherheit der Modelle sollten offengelegt werden. Sachverständigen soll somit die individuelle kritische Prüfung der verwendeten Modelle ermöglicht werden. Die EBA definiert weiterhin, dass die Modelle:
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- objekt- und standortspezifisch in ausreichender Granularität vorliegen,
- valide und genau sind sowie einem robusten und regelmäßigen Backtesting gegen die tatsächlich beobachteten Transaktionspreise unterliegen,
- auf einer ausreichend großen und repräsentativen Stichprobe basieren, die auf beobachteten Transaktionspreisen beruht und
- auf aktuellen Daten von hoher Qualität basieren. (EBA 2020, S.58).
Daraus resultieren nicht nur neue Anforderungen, sondern ebenfalls Chancen für die Transparenz und damit letztlich auch für die Qualität und die Akzeptanz von AVM-Lösungen. Vor allem aber dürfte die neue Leitlinie eine verstärkte Auseinandersetzung mit statistischen Modellen, Stichproben und Bewertungsqualität auslösen, die nicht nur im digitalen Bewertungskontext begrüßenswert ist.
Bewegung durch die BelWertV-Novelle 2022- Klassische AVM dürfen jetzt offiziell vewendet werden
Nach Jahren des Entwicklungsstillstandes modellbasierter Bewertungsverfahren, der auch durch die magelnde aufsichtsrechtliche und fachliche Akzeptanz verursacht wurde (Akzeptanz-Transparenz-Dilemma), ist mit der Novellierung der BelWertV im Oktober 2022 nun der gordische Knoten durchbrochen. Gemäß §19 Abs. 2 der neuen BelWertV darf fortan bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Wohnungseigentum “Unbeschadet des Absatzes 1 Satz 2 […] bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Wohnungseigentum die Ermittlung des Vergleichswerts auch unter Nutzung computerunterstützter datenbankbasierter Bewertungsmodelle erfolgen […]”. Diese Öffnungsklausel erstreckt sich auf alle Beleihungsgrenzen in den entsprechenden Assetklassen, also nicht nur auf Fälle unterhalb der Kleindarlehensgrenze. Einschränkend sieht die BelWertV hier vor, dass die “Geeignetheit und die zugrunde liegenden, auf Basis geeigneter statistischer Modelle nachvollziehbar abgeleiteten Daten mindestens jährlich durch eine vom Systemanbieter und Datenbankanbieter unabhängige qualifizierte Stelle validiert werden.” Fraglich bleibt in diesem Kontext, wer die unabhängige qualifizierte Stelle ist, und wie die zugrundeliegenden auf Basis geeigneter statistischer Modelle nachvollziehbar abgleiteten Daten qualifiziert werden können. Wir sehen hier wiederum die EBA Guideline als maßgebliches Rahmenwerk. Als wir das Vergleichswertmodul der VALUE AVM entwickelt haben haben wir uns im Rahmen einer Benchmarkstudie in einem Workingpaper mit den Qualitätsanforderungen der EBA befasst. Hier sind wir letztlich zu folgendem Schluss gekommen: “So ist ein aussagekräftiger Vergleich zwischen verschiedenen Schätzverfahren nur dann möglich, wenn die herangezogenen Qualitätsmaßstäbe auf ein und derselben Datenbasis beruhen. Andernfalls bleibt stets unklar, ob unterschiedliche Ergebnisse am jeweiligen Schätzverfahren oder an der räumlichen bzw. segment- oder objektspezifischen Verteilung der gewählten Datengrundlage liegen. Ein einheitlicher, öffentlich verfügbarer Datensatz zur Evaluierung der vorhandenen AVMs dürfte daher ein vielversprechender Ansatz sein, die Qualität der Modelle adäquat einzustufen.” Mit diesem Hintergedanken haben wir unsere VALUE AVM auch im Hinblick auf mögliche Selektionsfehler der Datengrundlagen stets kritisch im Gesamtmarkt gebenchmarkt.
Die VALUE AVM und das computerunterstützte datenbankbasierte Bewertungsmodell der VALUE AG entsprechen den EBA Guidelines vollumfänglich.
Wir hatten das Glück, dass wir das AVM (Automated Valuiation Modell) bzw. das computerunterstützte datenbankbasierte Bewertungsmodell der VALUE AG just zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der EBA Guidelines entwickelt haben. Unser Vergleichswertmodell, welches das Kernmodul unseres AVM Framework darstellt erfüllt daher auch alle Kriterien der EBA Guidelines: Das Vergleichswertmodell der VALUE AG liegt 1. objekt- und standortspezifisch in ausreichender Granularität vor. Es ist 2. valide und genau und unterliegt einem robusten und regelmäßigen Backtesting gegen die tatsächlich beobachtete Transaktionspreise. Das Modell basiert 3. auf einer ausreichend großen und repräsentativen Stichprobe die auf beobachteten Transaktionspreisen beruht und basiert 4. auf aktuellen Daten von hoher Qualität.
(Automatisiertes Bewertungs-) Modell bleibt Modell – auch wenn es gut ist
Bei der Anwendung von computerunterstützten datenbankbasierten Bewertungsmodellen bleibt aber eines zu beachten. Ein Modell bleibt ein Modell. Und selbst wenn das statistische Modell ein Bestimmtheitsmaß von 90% anzeigt, weshalb es als sehr gut einzuordnen wäre, so verbleibt auch hier ein gewisser Toleranzbereich in der Schätzung bestehen. Dies haben wir auf dem bundesweit einmaligen Datenfundus in der Hypoport-Gruppe analysiert, indem wir Einblick in den kompletten Vermarktunsgprozess von Immobilien erhalten (die Studie finden Sie hier). Daher weisen wir in der VALUE AVM auch die entsprechenden Wertebereiche aus, damit Sachverständige entsprechend die Möglichkeit haben, die Schätzgenauigkeit einzuordnen. Das ist wichtig, denn nach wie vor gilt die Aussage von George Box: “All models are wrong, but some are useful.”
Qualitätssicherung, die über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen hinausgeht.
Da selbst die Vertrauensbereiche von einzelnen Schätzungen wiederum nur auf einem Modell basieren, bemühen wir zur Validierung weitere, unabhängige (führende) Verfahren, wie den Sachwert oder den Vergleichswert sowie einen flankierenden Vergleichswert auf Basis von Vergleichsobjekten. Aus den Abweichungen der jeweiligen Wertekorridore haben wir einen Indikator entwickelt, der es ermöglicht die Schätzqualität auch unabhängig zu bestimmen. Bei Bedarf kann dieser Qualitätsindikator auch als Konvergenzwert (korrigierter Wert) herausgegeben werden. Wir sind davon überzeugt, dass die Mehrgleisigkeit der Wertermittlung auch im Rahmen automatisierter Verfahren den bestmöglichen Wertekorridor liefert. Der Konvergenzwert entspricht damit einem indikativen Marktwert, der robuster gegenüber Modell- oder Schätzungenauigkeiten und Fehleingaben ist als herkömmliche Ansätze.