Nichts genaues weiß man nicht

Deskriptive Analyse zum Berliner Wohnungsmarkt angesichts des Mietendeckels

Nach mehrfachen Anfragen, ob nach den aktuellen Veröffentlichungen zum Mietendeckel denn bereits etwas in den Daten erkennbar ist, möchten wir an dieser Stelle eine kurze Deskription der aktuellen Datenlage anbieten.

Preiseffekte und Mieteffekte können zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden (vgl. Abschnitt A, B und C). Allerdings zeigt sich, dass ein nicht unerheblicher Anteil an Vermietern mit Einschnitten rechnen kann (vgl. Abschnitt D und E).

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Preisentwicklung vermieteter und unvermieteter Wohnungen, 1-2012 = 100 (Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank)

Der Autor möchte an dieser Stelle Transparenz und eine nüchterne Bewertung anstoßen. Das Vorhaben hat schließlich nicht nur Auswirkungen auf Mieter sondern auch auf viele andere Teile des Gesellschaftssystems. Die Umsetzung und Debatte wird allerdings mit wenig Umsicht geführt und es wird wenig differenziert. Es ist nach Ansicht des Autors jedoch mindestens angebracht, vor solch tiefen Eingriffen eine Abschätzung für möglichst alle Wirkungsbereiche des Vorhabens durchzuführen. Stichhaltige Zahlen zu Nutzen und Kosten und auch dem Verwaltungsaufwand der Maßnahme sind bisher allerdings kaum bekannt. Daher zeigt Abschnitt D und E eine mögliche empirische Annäherung für den Wirkungsbereich (Klein-)Vermieter.

A) Einfluss auf Preise vermieteter Wohnungen?

  • These: Die Preisentwicklung vermieteter Wohnungen wird durch den Mietendeckel negativ beeinflusst (verlangsamt, stagnierend oder sinkend). Als Kontrollgruppe dient die Gruppe unvermieter Wohnungsangebote
  • Kann noch nicht bestätigt werden: In den letzten Monaten stagniert die Preisentwicklung von vermieteten Wohnungen. Soche Tendenzen gab es in der Vergangenheit bereits häufiger. Die Preise für unvermietete Wohnungen steigen unvermindert weiter.

vgl. Grafik oben

B) Einfluss auf Marktanteile und Preisaufschläge?

  • These: Die Marktanteile unvermieteter Wohnungen könnten steigen, da Vermieter den Mieterwechsel nutzen, um die Wohnung als freie Wohnung mit Preisaufschlag (an Selbstnutzer) zu verkaufen. Dadurch vergrößert sich das Angebot freier Wohnungen, der Preisaufschlag für freie Wohnungen sinkt
  • Bis dato kann diese These auch nicht bestätigt werden: Die Marktanteile unvermieteter Wohnungen sinken zuletzt wieder leicht, liegen aber noch deutlich unter dem lokalen Maximum vom Juni 2015 (Einführung der Mietpreisbremse). Die Preisaufschläge für freie (unvermietete Wohnungen) steigen sogar wieder leicht an.

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Geforderter Preisaufschlag für freie Wohnungen im Vergleich zu vermieteten Wohnungen und Marktanteil freie Wohnungen an allen Wohnungen (Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank)

C) Einfluss auf die Mietenentwicklung?

  • These: Es gibt noch einmal signifikante Mietsteigerungen bevor der Mietendeckel eingeführt wird (es erfolgte ja dazu ein Aufruf).
  • Nicht feststellbar. Weder bei Neuvertragsmieten noch bei Bestandsmieten ist diese Entwicklung sichtbar. Tendenziell ist eher das Gegenteil der Fall.

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Entwicklung der Neuvertrags- bzw. Wiedervermietungsmieten und der Bestandsmieten (Index 2012 = 100, flächengewichtetes Mittel) (Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank)

D) Wie viele (Klein-)Vermieter sind denn vom Mietendeckel betroffen?

Grundsätzlich sind natürlich alle, d.h. 100% der Vermieter von dem Deckel betroffen, denn die nachhaltig erzielbaren Mieterträge als wesentliche Komponente im Ertragswertverfahren, müssten bei einer Bewertung ggf. auf die Obergrenzen des Mietendeckels (vgl. hier) abgesenkt werden (mehr oder weniger stark und davon abhängig wie lange der Deckel auf dem Topf bleibt) .

Im Folgenden geht es aber um die Frage, wie viele Vermieter zunächst mit sinkenden Mieten rechnen müssen und um eine Abschätzung wie hoch die Mieteinbußen in etwa sein werden. Dies ist besonders dahingehend relevant, dass in zumindest Einzelfällen der Mietertrag die Basis der Kredittilgung ist. Die Frage ist jedoch zunächst schwer zu beantworten, da ja nicht bekannt ist, welches “Mietereinkommen” in welcher Wohnung lebt und dies soll ja nach abgeschwächter Version des Entwurfs zunächst maßgeblich sein.

Bei einer Neu- bzw. Wiedervermietung greift der Deckel nach bisherigem Stand hingegen immer: “Die Mietobergrenze legt fest, wie hoch die Nettokaltmiete in Abhängigkeit von Alter und Ausstattung einer Wohnung sein darf.”

Sofern der Mietendeckel zukünftig also immer bei Neuvermietung gilt, dann fallen alle Vermieter bei einem Mieterwechsel unter den Mietendeckel. Dies vorausgeschickt, können existierende Bestandsmieten mit den Höchstpreisen des Mietendeckels verglichen werden.

Median der Mieteinnahmen je m² und Monat (Bestandsmieten) im Vergleich zu den Höchstpreisen des Mietendeckels (Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank)

Wir nehmen also verschiedene Höchstpreis-Gruppen (nach Baujahren) nach Mietendeckel (Quelle: https://stadtentwicklung.berlin.de) und vergleichen diese mit einer entsprechenden Stichprobe an Bestandsmieten aus Kaufangeboten (01.2018-08.2019).

Der Anteil betroffener Wohnungen/Vermieter wurde analog zum nachfolgenden Beispiel ermittelt: Die Höchstmiete in der Gruppe bis 1918 mit Sammelheizung und Bad beträgt 6,45 Euro je m². Das 38. Perzentil aller Bestandsmieten aus der Stichprobe liegt in der Gruppe mit 6,49 Euro je m² darüber. Damit wären 62% aller Vermieter dieser Wohnungen von einer Absenkungspflicht nach Mieterwechsel betroffen.

Beispielhafte Ermittlung betroffener Wohnungen in der Gruppe bis 1918 (Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank)

Etwa 56% bis 87% der Vermieter die in den letzten 1,5Jahren eine vermietete Wohnung gekauft haben, sind vom Mietendeckel betroffen, wenn der Mieter wechselt (die Werte dürften auch auf andere Vermieter/Wohnungen übertragbar sein, da sich die Bestandsmieten moderat entwickelt haben und die zuvor gehandelten Wohnungen eine höhere Wahrscheinlichkeit eines seither erfolgten Mietwechsels aufweisen).

Anteil der vom Mietendeckel betroffenen Wohnungen/Vermieter nach Gruppen (Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank)

Besonders in den Gruppen “1965-…-1990” fallen hohe Werte auf. Dies ist vermutlich dadurch bedingt, dass in dieser Gruppe in unserer Datenbasis eine größere Abweichung zum Mietspiegel vorliegt, da die Genossenschaften und städtischen Gesellschaften in den “Einzeltransaktionen” die hier ausgewertet werden, unterrepräsentiert sind, den Mietspiegel aber natürlich besonders in dieser Gruppe prägen. Im Hinblick auf die Betroffenheit für den (Klein-)Vermieter in dieser Gruppe ist dies allerdings kein verzerrtes Ergebnis.

E) Wie hoch ist die zu erwartende Mietminderung für betroffene Vermieter?

Um abzuschätzen, mit welchen Einbußen zu rechnen ist, haben wir die mittleren Mieten der betroffenen Wohnugen mit den Höchstmieten verglichen. Im Mittel liegen die zu erwartenden Anpassungen zwischen 17-38%.

Zu erwartende Mieteinbußen in Prozent (Quelle: empirica-systeme Marktdatenbank)

Methodik

Für die Auswertungen wurde für die Abschnitte A und B eine spezielle Gruppe an Wohnungen extrahiert, die sich auch für Selbstnutzer eignet, um mögliche Verschiebungen zwischen Vermietermärkten und Selbstnutzermärkten zu erkennen: Kein Neubau, 3+4 Zimmer, 70-120m². Es werden vermietete Wohnungen und als Kontrollgruppe unvermietete Wohnungen abgebildet, um Rückschlüsse zum Mietendeckel zu ermöglichen. Die Mittelwerte zeigen das flächengewichtete Mittel, um die Einflüsse der Wohnfläche (kleine Wohnungen höhere m² Preise) zu reduzieren. Bezüglich des Baujahres haben wir keine weiteren Eingrenzungen vorgenommen. Auch nicht in Bezug auf die Wohnlage. Es handelt sich um städtische Mittelwerte und nicht um Regressionsergebnisse.

Abschnitt C umfasst alle verfügbaren Bestandsmieten und Neu- bzw. Wiedervermietungsmieten. Abgebildet ist das flächengewichtete Mittel.

Die Datenbasis der Abschnitte D und E umfasst alle verfügbaren Bestandsmieten aus dem Erhebungszeitraum 1.2018-8.2019. Es handelt sich um eine Stichprobe aus einem Marktsegment, sie ist daher nicht repräsentativ für alle vermieteten Wohnungen in Berlin. Es wurden ausschließlich Mieten aus Wohnungen ausgewertet, die als Einzelobjekte angeboten wurden (vorwiegend der Markt für Kleinvermieter). Modernisierungen wurden nicht berücksichtigt: Die Bestandsmieten modernisierter Wohnungen liegen innerhalb der Stichprobe im Schnitt 16% über dem Schnitt aller Wohnungen. In den Höchstpreisgruppen liegt der Modernisierungszuschlag von 1,4 Euro bei durchschnittlich 20%. Wohnungen aus MFH- und Portfoliotransaktionen wurden nicht berücksichtigt. Dennoch gehen wir davon aus, dass auf Grund der Datenqualität und der relativ geringen Dynamik bei den Bestandsmieten (vgl. Abschnitt C) eine Übertragbarkeit im Sinne einer Annäherung auf alle Kleinvermieter in Berlin machbar ist.